Interior design 60s 70s

 --- Das Wohnzimmer --- 

 

Wohndesign der Sechziger Jahre im Puppenhaus

Die Zeit des Wohnungsnotstands war in der Bundesrepublik Anfang der Sechziger Jahre zum größten Teil überwunden, die meisten hatten ein separates Wohnzimmer, das sie nach dem Krieg fast immer neu eingerichtet hatten, es fanden sich kaum Erbstücke. Junge Familien setzten kaum auf Tradition, ganz im Gegenteil wurde das elterliche Wohnen als altmodisch angesehen. Auch hatte man schon die Vorstellung, dass die Möbel nicht ein Leben lang halten sollten, sondern dass sich eine Wohneinrichtung stetig wandeln würde. Dieser Trend sollte sich in den folgenden Jahrzehnten noch verstärken, immer schneller wurden Einrichtungsgegenstände ausgetauscht. Bedeutsam ist, dass die klassische Familie (Vater, Mutter, Kind/er) als Bewohner einer Wohneinheit nur von Mitte der 50er bis Mitte der 60er in der Mehrheit war. Was kam danach? Unverheiratete Paare, Alleinerziehende, Wohngemeinschaften und besonders die Single-Haushalte, die heute mit Abstand die Mehrzahl bilden.


BRD   Bodo Hennig, Wildpoldsried

 

 

1963 plant eine junge Frau ihre Wohnung mit Hennig-Möbeln (Quelle: Frauenzeitschrift "Constanze"). Das Sofa der Sechziger sieht aus wie eine gepolsterte Bank in gedeckten warmen Farben.


 


Die Formen, Farben und Materialien der Fünfziger Jahre bestimmten auch in der ersten Hälfte der 1960er Jahre das Design. Die Formen waren weiterhin leicht, aber nicht mehr so verspielt oder gar extravagant wie vorher, eher einfach und schlicht. Die Farben wurden gedeckter und ruhiger, die Kontraste weicher. Holz spielte immer noch eine wichtige Rolle, wie zum Beispiel im Skandinavischen Teakholzstil.

Holz wird mit schlichtem Gelb und Grün kombiniert. Die Schränke sind flexibel, Oberschränke und Unterschränke können beliebig kombiniert werden. Die Stehlampe ist filigranes Schmuckobjekt. Wie gegen Ende der Fünfziger gehört eine TV-Radio-Kombination zum Wohnzimmer. 




Mitte der Sechziger gehören kräftige Farbtöne wieder zum Wohnbild. Ein dunkles Bordeaux-Rot, Kontrastfarben Gelb, Orange und Blau. Metall wird mit Holz kombiniert, hier haben Tische und Sessel Aluminium- bzw. Stahlbeine. Drehsessel werden in Ost und West populär (siehe unten).




Riesige wandfüllende Schrankwände für das Wohnzimmer ersetzen die leichtfüßigen kleinen Schränke und Sideboards.

Puppenhäuser Sechziger Jahre - Bodo Hennig - Dollhouses of the sixties


BRD   "Modella" Fa. Paul Kerkmann, Wesel

 

 >1963 Wohnzimmer in einer Puppenstube des Versandhauses "Quelle"



1967


 

1967 sind die enormen Anbauwände noch im Holzmuster. Ein Schreibtisch lässt sich platzsparend ausklappen. Es ist sogar Platz für einen Esstisch vorhanden.

Die Menschen hatten nach den vergangenen zwei Jahrzehnten ein Bedürfnis nch Geborgenheit und verbrachten viel Freizeit in ihrer Wohnung. Dort hatte man aber auch gerne Besuch, auch die Kinder durften mit ihren Freunden oft im Wohnzimmer spielen, wenn kein Kinderzimmer vorhanden war. Auch gab es Fernsehbesuche, denn noch hatte nicht jeder Haushalt ein teures TV-Gerät.
Im Laufe der Sechziger zog immer mehr erschwingliche Technik in alle Wohnzimmer ein, das Angebot an Möbeln war nicht mehr begrenzt - ganz im Gegenteil, die Wohnungen wurden größer, immer mehr zogen in ein eigenes Haus.

 
(Sammlung Anna Setz)




Noch ahmen die Plastikmöbel eine Holzfaserung der Möbel nach. An der Wand hängt moderne Kunst.

>Modella in den Sechzigern

 

BRD Crailsheimer Spielwarenwerke, Richard Dietrich KG, Crailsheim

 



Bordeaux-rote Sessel zur modernen Schrankwand.

Entgegen der in Wohnzeitschriften hervorgehobenen Bedeutung von der Schönheit des Designs und dem Wohlfühlfaktor der modernen Möbel, wurde die Auswahl im Möbelhaus eher nach dem Gebrauchswert der Einrichtung getroffen, d.h. wie viel Wohnkomfort bekomme ich für mein Geld. Der Preis war entscheidend. Trotzdem wollte man seinen wachsenden Wohlstand nicht durch eine besonders kostspielige oder auffallende Einrichtung zeigen, die meisten bevorzugten eine einfachen, praktischen und konventionellen Wohnstil. Die "gute Stube" war auf dem Rückzug, auch bedingt durch die geringe Wohnfläche. Das Wohnzimmer wurde nun für viele Zwecke genutzt, nicht nur zum Repräsentieren. Dieser Trend setzte sich immer weiter durch. Am Ende des Jahrzehnts war eher die moderne Einbauküche ein Mittel um Prestige zu erhalten als die Wohnzimmereinrichtung.

DDR

In der DDR hatten bis zum Ende erhebliche Mängel in der Versorgung mit Wohnungen und Möbeln, sowie technischen Geräten zu Unzufriedenheit geführt. Viele Wünsche waren nicht erfüllt worden. Die Enge der Wohnungen änderte sich nicht, die Räume und Möbel blieben also deutlicher multifunktional als in der BRD und man legte wesentlich mehr Wert auf eine pflegeleichte und variable Inneneinrichtung.
Das Wohnzimmer als Mittel zur Repräsentation war in der DDR noch weniger als im Westen gefragt.

 

 Fa. Hermann Rülke

1963 haben die Sessel auch in der DDR schon ein modernes glattes Design und jeglichen Schwung der Fünfziger verloren.





DDR  VEB Erzgeb. Möbel- und Spielwarenfabriken, Niedersaida

Wohnzimmer - EMS - living rooms
Farben und Formen der Fünfziger am Anfang des Jahrzehnts. Ein paar Jahre später werden die Linien wieder gerade und rechtwinkelig, die Farben kräftiger.


Ende der Sechziger:


Holz- und Plastik-Mix. Schwerer Schrank ohne die Leichtigkeit der Vorjahre.



Abbildung auf einem Puppenmöbelkarton von Hermann Rülke.


Sprossenstühle aus Kunststoff, Bodenvase, Fernsehen, helle Farben.


Abbildung auf einem Puppenmöbelkarton von Hermann Rülke.

In den Sechzigern wurde in der DDR aus "gemütlichem" Wohnen nun "modernes" Wohnen. Die kleinen Neubauwohnungen in Plattenbauweise waren durchschnittlich 55 Quadratmeter groß, die modernen Möbel mussten also passgenau hergestellt werden. Aus der schweren Massivholz-Möbelgarnitur, die "fürs Leben" gedacht war, wurde nun die folienbeschichteten Anbaumöbel. Alles sollte zusammenklappbar, flexibel, platzsparend und erweiterungsfähig sein.
Die Versandhauskataloge dieser Zeit zeigen Möbel im alten und neuen Stil. Wegen der Warenknappheit musste oft gekauft werden, was gerade vorrätig war.







Edles warmes Holz, asymmetrischer Schrank
1960er Wohnzimmer - Hermann Rülke - 1960s living rooms



Ende der 1960er

 
 Hersteller:  Firma Paul Hübsch aus Seiffen im Erzgebirge

Schrank, Kommode und Tisch sind im weißen schlichten Schleiflackstil, nur die Sitzmöglichkeiten sind etwas gewagter im Design. Beschwingtes Muster des Bezuges, statt Sofa eine flotte Liege und statt Sesseln ungezwungene (und unbequeme) Hocker.

 
 Hersteller:  Firma Paul Hübsch aus Seiffen im Erzgebirge

Zur gleichen Zeit - oder früher? - wird auch dieses traditionellere Wohnzimmer verkauft. Die Blume, die Buchattrappen sind geblieben, auch die Tischform ist gleich.



 Hersteller:  Firma Paul Hübsch aus Seiffen im Erzgebirge

Dieses Wohnzimmer ist wieder konventioneller, ein geräumiger Schrank, eine Polstergarnitur mit Couch und Sesseln, und diesmal fehlt auch der Fernseher nicht und eine Uhr sagt uns, wann wir ihn einschalten müssen. Nur die Sofafarbe ist sehr gewagt.
Wohnzimmer - Paul Hübsch - living rooms




DDR  Ullrich und Hoffmann "Wichtelmarke", Seiffen

Das schwarz-weiße Schranktüren als Erkennungszeichen der 50er verschwinden in den 60ern noch nicht. Holz und Plastik wird kombiniert. Auf dem Kartondeckel unten sieht man die moderne Schrankwand mit der Couchgarnitur in Fünfziger-Jahre-Formen und -Farben.

Wohnzimmer - Wichtelmarke - Living rooms


 


 
Puppenmöbel - VERO - doll furniture

Verspielte Formen, Weiß und Gold wie in Disneys Märchenschloss, auch dieser Stil ist in Ost und auch West typisch für das Ende der Sechziger.




Ein Interview mit mir über das Design der Sechziger Jahre, 
dargestellt durch die originalen Puppenmöbel dieser Zeit.
Vielen Dank an den Fotografen Sven Fennema aus Krefeld,
 der meine 60er-Wohnzimmer so gekonnt in Szene setzte!
 


An interview with me...
... about the 60s design represented in dollshouses of that time. 
Many thanks to the photographer Sven Fennema 
who found such interesting points of view with his camera!

https://www.houzz.de/magazin/kultobjekte-puppenstuben-als-zeitzeugen-der-designgeschichte-stsetivw-vs~80351279




Wohndesign der Siebziger Jahre 

Die Siebziger fangen schon in der zweiten Hälfte der Sechziger an:

Swinging Sixties, Pop-Art, Space-Design mit futuristischen Wohnlandschaften, neue Herstellungstechniken von Kunststoffen für leichte farbenfreudige Möbel. Die Farben Orange, Gelb, Braun und vor allem Apfelgrün für Möbel, Tapeten und Teppiche sind typisch. Großflächige grafische Muster und gewagte Kontraste bestimmen die modebewusste Wohnung. Am Ende des Jahrzehnts setzte sich wieder der bodenständige rustikale Wohnstil durch, der vor allem durch die Farben Braun und Beige verkörpert wurde. Bauernmöbel, aufgearbeitete Möbel vom Trödel und  IKEA bestimmten das Bild.

BRD  Bodo Hennig

 

 


>1968-1975 Bodo Hennig

Die Weiterentwicklung des "Swinging-Sixties-Stils" oder des Pop-Art-Stils kommt Anfang und Mitte der Siebziger auch in den Puppenstuben an. Bei Bodo Hennig durch die Farbe Orange nicht zu übersehen.



Metall-Stühle und -tisch, auffallendes Design des Kamins, Stehlampe passend zum Panton-Stil, große Schrankwand. Noch sorgt ein Ohrensessel für Gemütlichkeit. 

Die Weiterentwicklung des Werkstoffs Kunststoff führte ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts zu einer wahren Revolution, denn nun konnten Möbelkreationen entstehen, die mit Holz oder Metall niemals möglich gewesen wären.
Oft waren sie auffallend bunt in Orange oder Rot gehalten, elegant geformt und skulptural gestaltet. Besonders die Stühle der 1960er und 1970er Jahre zeigten bisher unbekannte Formen, denn Designer liebten es, dass man nun auch ausgefallene Ideen verwirklichen konnte. Gerade der Freischwingerstuhl des Dänen Verner Panton schöpft die technischen Vorteile des neuen Werkstoffs  voll aus. Ein Designobjekt, das seine Faszination bis heute nicht verloren hat.
Im Puppenhaus stellte nur Bodo Hennig ab 1972 den Pantonstuhl mit dem passenden Tisch her. Seine Lampenserie zeigte zur selben Zeit passende gewagte orange und gelbe Leuchtobjekte, die mehr Kunstobjekte als Leuchten waren. Das untere Foto zeigt zwei dieser Kunststoffleuchten.  Crailsheimer hatte schon Ende der Sechziger den Tulpenstuhl im Programm und Modellas Wohnzimmersessel von 1972 erinnern deutlich an Dieter Rams Kreationen.




Doppelstube - 1976 Bodo Hennig - Room box

Eine mobile Sitzlandschaft, das grelle Orange wird nur noch punktuell eingesetzt. Lampen sind immer noch mehr Kunstobjekte als Lichtspender. Der Fernseher sendet in Farbe.

Ab Mitte der Siebziger begann IKEA in Deutschland überall populär zu werden. Der skandinavische Möbelstil kam gerade bei jungen Leuten gut an. Hell und natürlich, praktisch, da leicht kombinierbar, dabei sehr preiswert,  mit einer selbstbewussten und lässigen Ausstrahlung.

BRD Modella



Sessel-Vorbild: Dieter Rams. Grafisches auffallendes Tapetenmuster, moderne Kunst an der Wand, mobile Schrankelemente. Teppich und Gardinen, sowie die vielen Kleinigkeiten auf den Regalen, sind alle aufgemalt.



>1972 Wohnungseinrichtung von Modella
Siebziger Jahre - Modella - in the seventies

DDR  VERO

 


1972 DDR-Spielzeugzeitschrift



Auch in der Spielzeugwelt wurde alles vereinheitlicht. 1972 wurden alle noch selbstständigen Puppenmöbelhersteller enteignet und zu einem einzigen Betrieb vereinigt, die VERO. Genau wie im Westen wurde der vorherschende Möbelstil nachgeahmt, d.h. am Anfang des Jahrzehnts waren fast alle Möbel im modernen Anbaustil und aus Plastik, gegen Ende wurde wieder mehr Holz verarbeitet.

 Anfang der Siebziger wurde auf die Kombination Plaste/Holz gesetzt.




1975



DDR 1971 PeBe 

(P. Bernhardt, Bad Kösen) Montagemöbel
> Blogbeitrag>   Montagemöbel für Kinder





Die beliebten Farben Grün und Orange in einem beliebig kombinierbaren Möbelstück aus einzelnen Elementen.


Mehr zum Thema Wohndesign der Sechziger und Siebziger:


>Lampendesign bei Bodo Hennig der Fünfziger bis Siebziger 
>Skandinavischer Möbelstil 
>1977 Bodo Hennig Haus mit Wohnzimmer im Maxi-Format 

2 Kommentare:

  1. Ich habe eine Frage. Wo bekomme ich für das Vero Hochhaus die ganzen Tapeten und Bodenbeläge + Balkonbändee(rot, gelb, blau) her? Können Sie mir das sagen? Lg

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  2. Wenn Sie für Restaurierungen alter Puppenhäuser Material benötigen, sind Ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt - die ursprünglichen Materialien bekommen Sie natürlich nicht mehr - es geht also ums Kopieren, ums Ersetzen durch anderes. Die Sammlerin, die das Hochhaus restauriert hatte, kaufte zwei Ruinen des Puppenhauses und puzzelte sie zu einem Haus, sie kopierte die Böden und Tapeten aus anderen Grünhainichen und Vero Puppenhäusern, indem sie sie abfotografierte und ausdruckte. Viele viele Male, bis es perfekt aussah. Die Bänder hat sie sich auf Antikmärkten und Trödelmärkten zusammengesucht, wo andere Objekte aus dieser Zeit verkauft wurden. Es war ein sehr langwieriges Projekt!

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